Eine demokratiefeindliche (?) Tat

Ein Tweet der GdP in Berlin zu einem Vorfall, bei dem eine Polizeiwache mit roter Farbe wohl beworfen worden war, hat auf Twitter zu einer regen Diskussion geführt.

Dabei ging es darum, ob .- wie von der GdP hier in den Raum gestellt – es sich um eine demokratiefeindliche Tat gehandelt haben könnte.

Unstreitig ist, dass, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 303 StGB vorliegen, es sich um eine strafbare Tat gehandelt hat.

Die Einschränkung muss bereits an dieser Stelle gemacht werden, da nach h.M. Verunstaltungen und Verunreinigungen die nicht substanzverletzender Art sind, grundsätzlich nicht unter den Begriff der Sachbeschädigung subsumierbar sind. Wegen »Sachbeschädigung« macht sich seit dem 39. StrÄndG v. 08.09.2005 (BGBl. I S. 2674) auch strafbar, wer unbefugt das Erscheinungsbild eines Tatobjekts im Sinne des § 303 Abs. 1 StGB nicht nur unerheblich und nicht nur vorübergehend verändert. Diese – auch – Graffiti-Paragraph genannte – Norm erfasst zunächst jede Veränderung des Erscheinungsbildes durch jedwede von der Täterin oder dem Täter bewirkte Abweichung der äußeren Erscheinung einer Sache vom vorherigen Zustand unabhängig von einer Substanzverletzung. Einschränkend muss hier das Tatbestandsmerkmal nicht nur vorübergehend betrachtet werden. Nicht der Strafbarkeit unterfallen demnach der Gesetzesbegründung zufolge Veränderungen, »die ohne Aufwand binnen kurzer Zeit von selbst wieder vergehen oder entfernt werden können, wie Verhüllungen, Plakatierung mittels ablösbarer Klebestreifen sowie Kreide- und Wasserfarbenauftrag« (BT-Drucks. 15/5313 S. 3) wieder entfernt werden können. Demnach sind Oberflächenveränderungen nicht nur vorübergehender Natur, wenn diese sich als physikalisch dauerhaft erweisen und beispielsweise durch nicht oder nur schwer abwaschbare Farbe hervorgerufen werden, die sich zwar noch verwischen, jedoch durch Wegwischen nicht mehr entfernen lassen (OLG Jena NJW 2008, 776).

Damit steht als erstes Ergebnis fest, dass es sich um eine strafbare Tat gehandelt haben kann, dieser Befund aber aus den mitgeteilten Bildern und dem Begleittext nicht zwingend und eindeutig ist. (Diese Vorbemerkung erfolgt auch eingedenk einer Hausdurchsuchung bei einer minderjährigen Klimaaktivistin zu einem Zeitpunkt, als schon feststand, dass irgendjemand mit abwaschbarer Sprühkreide aufgesprüht hatte – das ist aber eine andere Baustelle; es geht nur darum, dass man auch mit der Strafbarkeit nach § 303 StGB nicht leicht hantieren kann)

Dann kommt aber der zweite und entscheidende Punkt, um den sich die eigentliche Diskussion drehte: Ist eine solche Tat dann auch eine solche, die als demokratiefeindlich zu werten ist?

Der Farbwurf richtete sich nicht gegen irgend eine Sache, sondern gezielt gegen ein Polizeirevier. Adressatin war damit also die Polizei – eine Institution des Staates. In unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist die Polizei Teil der exekutiven Staatsgewalt. Diese Rolle füllt sie auch an exponierter Stelle aus, handelt es sich hier doch um diejenige Institution, die das staatliche Gewaltmonopol innehat und auch gesetzlich eingehegt mit der Befugnis versehen ist, dieses Gewaltmonopol auch auszuüben. Damit steht die Institution „Polizei“ im direkten Konfrontationsbereich, wenn sich Zorn oder Wut gegenüber dem Staat entladen.

Auf die Frage, ob Zorn oder Wut im Einzelfall jeweils berechtigt waren oder sind, kommt es nicht an: Denn das Gefüge des Rechtsstaats hat über das Prinzip der Gewaltenteilung zunächst gleichfalls zivile Möglichkeiten vorgesehen, hier Rechtsschutz zu suchen und auch zu erlangen. Das ist zunächst zugestandermaßen erst einmal reine Theorie und zeichnet das Idealbild des funktionierenden Zusammenlebens in einer Gesellschaft. Die Abweichungen dieser reinen Lehre vom praktischen Erleben benötigt daher Ventile, um tatsächliche Missstände zu beseitigen oder bei vermeintlichen Missständen zumindest die Ursache für die Fehleinschätzungen zu beseitigen.

Die Art und Weise, wie dies geschehen soll und kann, fordert im demokratischen System des Zusammenlebens die Gemeinschaft heraus – das zentrale Instrument der Demokratie ist der Diskurs. Schon im antiken Griechenland war deshalb die Agora der Ort, an dem sich die Meinungsfindung und Meinungsbildung abspielten und die demokratische Willensbildung vorbereiteten. Auch die parlamentarische Demokratie, wie wir sie kennen, bedarf dieser unterschiedlichsten Diskursräume und Möglichkeiten. Dabei ist entscheidend, dass zu den Spielregeln zwei zentrale Elemente gehören:

  1. Am Ende wird abgestimmt und entschieden. Das bedeutet, dass diejenigen, die betroffen sind, sich auch tätsächlich irgendwie in den Entscheidungsprozess haben einbringen können.
  2. Eine Entscheidung wird nur dann als allgemeingültig anerkannt werden können, wenn die Interessen aller Beteiligten hinreichend Berücksichtigung gefunden haben und nicht der Eindruck besteht, dass „durchregiert“ wird.

Ein Defizit an demokratischer Kultur auf allen Ebenen kann deshalb zu den oben genannten Ausbrüchen von Gewalt gegen Sachen führen – die aber hier keinesfalls gutgeheißen werden soll. Es ist kein Verständnis für diese Art von Gewaltausübung sondern ein Befund, der darauf zielt, durch entsprechende Maßnahmen eine solche gänzlich überflüssig zu machen.

Kommen wir zum zweiten Punkt in diesem Zusammenhang: dem bereits erwähnten Gewaltmonopol. Dieses hat der Staat inne – und das aus guten Gründen. Diese sind aber nicht „vom Himmel gefallen“ – was ja für die Legitimation staatlicher Gewaltausübung schon ziemlich seltsam anmutet, sondern das Ergebnis einer historischen Entwicklung auf dem Weg zum modernen Staat. Das staatliche Gewaltmonopol bedeutet nämlich nicht, dass der Staat dann einfach Gewalt ausüben kann, wenn die Regeln, die sich hier die Gemeinschaft gegeben hat, das erlauben. Hintergrund ist vielmehr, dass der oder die Einzelne quasi im Wege eines Deals mit dem Gemeinwesen darauf verzichtet, selbst Hand anzulegen, wenn eigene Rechtsgüter gefährdet oder gar verletzt werden, WEIL das Gemeinwesen das Versprechen abgibt, für den Schutz der Einzelnen und deren Rechtsgüter Sorge zu tragen und in einem fairen und nachvollziehbaren Verfahren – sei es verwaltungsrechtlicher, zivilrechtlicher oder strafrechtlicher Natur – wieder für Gerechtigkeit sorgt.

Das ist nun auch der zweite Teil der reinen Lehre, der in der Praxis nicht immer ganz so gut funktioniert, wie er sollte. Auch hier gilt das oben gesagte: Für die Beseitigung von Fehlentwicklungen und Missständen müssen die demokratischen Werkzeuge verfügbar sein. Das bedarf einer Offenheit im Diskurs. An dieser Stelle ist insbesondere von Bedeutung, dass staatliches Handeln im Allgemeinen und polizeiliches Handeln im Besonderen, gerade wenn in grundrechtlich geschützte Positionen von Menschen eingegriffen wird, immer einer Rechtfertigung bedarf. Und diese Rechtfertigung ist nicht nur ein theoretisches Konstrukt, das für die Innenrevision ein fehlerfreies Handeln dokumentiert, sondern diese ist ein Teil der öffentlichen Debatte und muss auch in diesem Zusammenhang so kommuniziert werden. Es geht nicht um die Frage, ob die Polizei grundlos einem Generalverdacht ausgeliefert wird oder einen Vertrauensvorschuss braucht oder ob sich Politiker:innen „hinter UNSERE Polizei“ stellen. Es geht darum, dass das Hinterfragen staatlichen Handelns immer auch ein Teil dieses Gesellschaftsvertrages zum Gewaltmonopol ist – und dass diejenigen, die auf ihr originäres Selbstvornahme- und Racherecht verzichtet haben jederzeit einen Anspruch darauf haben, sich zu vergewissern, dass sich der andere Teil auch tatsächlich vertragstreu verhält. (By the way: Der Staat als anderer Vertragspartner tut das selbe ja ohnehin auch unentwegt, indem er beispielsweise vorbeugende Straftatenverhütung und Strafverfolgungsvorsorge betreibt, Kontrollen durchführt und vieles mehr an Befugnissen beansprucht).

Eingehegt in diese Grundlagen, die die Rolle der Polizei im demokratischen Rechtsstaat etwas umreißen (es muss zwangsläufig an der Oberfläche bleiben, das soll ja ein Blog-Beitrag zur Eingangsfrage und keine wissenschaftliche Abhandlung werden) geht es nun also darum, zu fragen, wann eine Tat denn als demokratiefeindlich eingestuft werden kann.

Ein Blick in die polizeilichen Schutzgüter des § 1 eines jedweden Landespolizeigesetzes zeigt, dass es um die öffentliche Sicherheit und Ordnung geht. Dabei wird als drittes Teilschutzgut der öffentlichen Sicherheit neben der Unversehrtheit der Rechtsordnung und der Integrität der Rechtsgüter der Einzelnen der Bestand und die Funktionsfähigkeit des Staates und sonstiger Träger hoheitlicher Gewalt sowie von deren verstetigten Einrichtungen und temporären Veranstaltungen genannt.

Auf den ersten Blick ist also mit dem Farbenwurf auf die Polizeidienststelle nicht nur die objektive Rechtsordnung betroffen sondern eben auch die Polizei als Trägerin hoheitlicher Gewalt und deren verstetigten Einrichtung in Gestalt einer Polizeidienststelle.

Aber die praktische Bedeutung vermindert sich dadurch, dass sich die Pflichten der Adressaten zur Rücksichtnahme auf hoheitliche Einrichtungen und Veranstaltungen im Wesentlichen aus sonstigen Verhaltensregelungen ergeben, die somit Teil der objektiven Rechtsordnung sind. Ein Verhalten, das nicht durch solche Regelungen verboten wird, ist grundsätzlich erlaubte Grundrechtsausübung. Dies gilt selbst dann, selbst wenn es hoheitliches Handeln erschwert.

Für unseren Fall bedeutet dies nun, dass, wenn es sich um eine strafbare Tat gehandelt haben sollte, für einen weiteren Rückgriff auf das Schutzgut der Funktionsfähigkeit des Staats nicht erforderlich ist. In diesem Zusammenhang ist zudem bedeutsam, dass der Gesetzgeber für bestimmte staatsgefährdende Handlungen schon eine Strafbarkeit weit im Vorfeld angeordnet hat. Das betrifft u.a. die so genannten Propagandadelikte im Phänomenbereich der politisch motivierten Kriminalität. Das Bundesverfassungsgericht prägte einmal in anderem Zusammenhang den Satz:

Ermächtigungen zur Beschränkung grundrechtlicher Freiheiten knüpfen nicht an die Gesinnung, sondern an Gefahren für Rechtsgüter an, die aus konkreten Handlungen folgen.

BVerfG, Beschluss vom 23. 6. 2004 – 1 BvQ 19/04 = NJW 2004, 2814 (2816)

Die Ermächtigung folgt hier aus der Möglichkeit einer Sachbeschädigung nach § 303 StGB.

Es bleibt nun allenfalls noch zu prüfen, ob sich aus der Regelung einer gemeinschädlichen Sachbeschädigung nach § 304 StGB noch etwas anderes ergeben könnte. Dann könnte der Schluss gezogen werden, dass vielleicht eine Tat vorliegen könnte, die ihrerseits demokratiefeindlich eingestuft werden könnte.

In Frage käme hier das Tatbestandsmerkmal Gegenstände, welche zum öffentlichen Nutzen dienen. Ein Gegenstand dient nach h.M. dem öffentlichen Nutzen, wenn er der Allgemeinheit durch seinen Gebrauch oder in anderer Weise unmittelbaren Nutzen bringt. Unmittelbarkeit ist einschränkend nur anzunehmen, »wenn jedermann aus dem Publikum, sei es auch nach Erfüllung bestimmter allgemeingültiger Bedingungen wie die Entrichtung eines Entgelts, ohne Vermittlung dritter, zu beliebiger Auswahl der Teilnehmer befugter Personen aus dem Gegenstand selbst oder aus dessen Erzeugnissen oder Wirkungen Nutzen ziehen kann« (RGSt 66, 203 (204))

Rechtsgut ist nicht das Eigentum, sondern das Allgemeininteresse an der Nutzung der unmittelbar öffentlichen Zwecken dienenden Gegenstände. (vgl. BayObLGSt 20, 146 (150)) Die Funktion der Strafnorm liegt darin, solchen Sachen einen erhöhten Strafrechtsschutz zu gewährleisten, die im Interesse der Allgemeinheit besonders schutzwürdig oder unersetzlich sind, wobei diese der Bevölkerung oft leicht zugänglich und daher auch leicht verletzlich sind (BT-Drucks. 8/2382 S. 13)

Damit müsste die betroffene Polizeidienststelle einen unmittelbaren Nutzen für die Allgemeinheit bringen, um taugliches Tatobjekt für eine Strafbarkeit nach § 304 StGB zu sein können.

Ein Blick in die Rechtsprechung hilft hier weiter:

9Verneint worden ist die Unmittelbarkeit des öffentlichen Nutzens u.a. für Polizeiwagen und Polizeifunkgerät (BGHSt 31, 185 [186 f.]. A.A. für den Polizeiwagen OLG Hamm NStZ 1981, 31; s. aber auch § 305a Abs. 1), Geschwindigkeitsmessanlagen der Polizei (OLG Stuttgart VM 1998, 38; OLG Braunschweig BeckRS 2014, 01103), Wegmacherhütten der Straßenmeistereien (BGH NJW 1990, 3029 [BGH 07.08.1990 – 1 StR 380/90]), Inventar einer Behörde (RG GA 1913, 443) oder eines Gefängnisses (RG LZ 1916, 696). (Satzger / Schluckebier / Widmaier, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 5. Auflage 2021, § 304 StGB, Rn. 9))

Damit dürfte das äußere Erscheinungsbild der Dienststelle nicht dem Schutzbereich der Regelung unterfallen.

Wenn man zudem noch die Zielrichtung des Gesetzgebers betrachtet, kommt auch hier eine demokratiefeindliche Tat auch nicht in Betracht.

Letztlich bleibt es ein Farbanschlag auf eine Polizeidienststelle – der mit Sicherheit Zorn und Wut bei den Betroffenen ausgelöst hat und darüber hinaus auch Fragen der Sicherheit der Dienststelle und dem Schutz der dort Beschäftigten legitimerweise auslösen kann. Von der Arbeit, die Farbe wieder zu entfernen und zu beseitigen und den damit verbundenen Kosten erst einmal ganz zu schweigen.

Auch mag aus Sicht der/des/der Täter, Täters, Täterin die Polizei beziehungsweise die Dienststelle aus privaten oder politischen Gründen das geeignete Tatobjekt gewesen sein. Typisch für solche Farbwürfe ist zudem, dass damit auch eine Botschaft transportiert werden soll. Dabei kann eine mögliche Motivationslage auch in der Ablehnung des freiheitlich-demokratischen Gemeinwesens liegen – aber es ist nach dem, was bislang bekannt ist, keineswegs zwingend.

Selbst eine antidemokratische Gesinnung der oder des Täters/Täterin/Täter macht aus dem Farbwurf noch nicht zwingend eine demokratiefeindliche Straftat. Ob es eine antidemokratische Gesinnung gibt oder gab, wird sich aber erst dann verifizieren oder falsifizieren lassen, wenn zum Einen tatsächlich eine nach deutschem Strafrecht verfolgbare Straftat vorliegt und der oder die Täter:innen und ihre Motivationslage ermittelt sind – oder wenn ein unzweideutiges Bekenner:innen-Schreiben vorliegen würde. Aber auch dann wäre die Zuschreibung „demokratiefeindlich“ nicht ohne weiteres zutreffend:

Demokratiefeindlich wäre eine Tat dann, wenn sie eben auf die Funktionsfähigkeit der Institutionen des demokratischen Gemeinwesens insgesamt zielen würde. Das wäre dann der Fall, wenn der Erfolg darin liegen würde, dass die demokratisch legitimierte Ausübung und Kontrolle des Gewaltenteilungsgrundsatzes in seinem Wesenskern beeinträchtigt wäre. Dabei kommt es in erster Linie auf einen objkektiven Betrachtungshorizont an: Entscheidend ist dann nicht die Gesinnung der/des Täter:in, sondern vielmehr die Auswirkungen der Tat auf das Funktionieren des Gemeinwesens.

Das sehe ich bei dieser Angelegenheit hier (noch) nicht erfüllt. Das mindert aber keineswegs die Tatsache, dass es für den Fall, dass die Handlung nicht strafbewehrt wäre, dennoch zivilrechtliche Ansprüche auf Schadenersatz entstanden sind, die durchaus beträchtlich sein können. Wenn die Farbe so beschaffen ist, dass die Strafbarkeitsschwelle überschritten ist, kommt zu den zivilrechtlichen Ansprüchen auch die strafrechtliche Aufarbeitung hinzu. Am Ende – auch das ist ein Pluspunkt für den freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat – entscheidet ein unabhängiges Gericht aufgrund einer eigenen Beweisaufnahme und Beweiswürdigung. Die Stärke der wehrhaften Demokratie liegt eben darin, dass sie auch denjenigen, die sich gegen sie stellen, mit den eigenen, demokratisch legitimierten Mitteln und Instrumenten begegnen kann und sich nicht des Instrumentariums ihrer Feinde bedienen muss.

Am Ende geht noch ein herzliches Dankeschön an die beiden Diskutant:innen: @wielando und @blaulichtzecke – die mich nicht nur zu diesem Text hier inspiriert haben, sondern auch meine Gedanken bei der Vorbereitung meines Beitrags auf dem Panel 3 „progressive Bildung = progressive Polizei“ auf dem Polizeikongress der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Thüringer Landtag, der am kommenden Dienstag (also übermorgen) stattfinden wird, nochmals auf das Problemfeld: Was ist eigentlich eine demokratische Polizei, wie ist das Selbstverständnis von Polizei im demokratischen Rechtsstaaat und wie funktioniert dies in Bezug auf Binnenwahrnehmung und Blick von außen. Auch ist in diesem Kontext durchaus spannend, wie gesellschaftliche Prozesse und Veränderungen aus einer staatlichen Institution heraus gesehen werden können, wenn die Auseinandersetzung nicht den demokratischen Diskurs sucht, sondern sich andere Formen der Kommunikation – auch unter Einsatz von Gewalt gegen Sachen – ihre Bahn suchen. Das sind nämlich auch die Rahmenbedingungen, unter denen wir polizeiliche Ausbildung diskutieren müssen, um in einer pluralen und bunten diversen Gesellschaft Sicherheit und Freiheit immer wieder aufs neue an Grundrechtsgewährleistungen ausgerichtet austarieren zu können – und gleichzeitig auch die Limitationen aus dem Funktionieren einer demokratisch legitimierten Gewaltenteilung entsprechend einordnen zu können.

Mediation und Unterhalt – Vereinbarungen

Wenn in Folge einer Trennung oder Scheidung auch Fragen des Unterhalts in einer Mediation behandelt und hier auch einer Lösung zugeführt werden, gibt es einige rechtliche Hürden zu beachten. Gleiches gilt natürlich auch dann, wenn bereits vor Eheschließung oder während der Ehe rein vorsorglich ein Ehevertrag aufgesetzt wird, der für den Fall der Fälle dann die zu relgenden Scheidungsfolgen schon im Voraus normiert.

Unterhalt

Problematisch wird es zudem, wenn es nicht um Unterhaltsansprüche zwischen den Beteiligten selbst geht, sondern wenn hier eine Regelung zum Kindesunterhalt getroffen werden soll und muss.

Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich daraus, dass häufig Abfindungsbeträge für Unterhalt ausgehandelt und bezahlt wird oder dass etwas bezahlt wird, ohne dieses in der vertraglichen Vereinbarung genau oder näher zu bestimmen, und sich dann im Nachhinein die Frage stellt, ob es sich auch um eine Unterhaltsabfindung gehandelt haben könnte.

Zur rechtlichen Qualifikation eines Abfindungsbetrages zur Erfüllung künftiger Unterhaltspflichten für ein minderjähriges Kind hat das OLG Brandenburg in einem Beschluss vom 12.10.2021 Stellung bezogen. (Beschl. v. 12.10.2021 – 13 UF 64/18) Ich habe diese Entscheidung für AZOFAM von juris hier aufbereitet und besprochen.

Dabei sind hier gerade die Auswirkungen dieser Entscheidung für die anwaltliche Beratungspraxis – aber auch im Rahmen der Berücksichtigung, wie weit und in welcher Weise hier die Parteien in der Mediation überhaupt eine Verfügungsmacht über Rechtspositionen von Kindern haben können und wie dies dann auch tatsächlich rechtskonform zu handhaben ist, von großer Bedeutung.

Aufruf zur Friedensdemo in Sigmaringen

Ukraine

am Samstag, den 05.03.2022 in Sigmaringen

Vergangene Woche, am 24. Februar 2022, sind russische Truppen erneut nach 2014 in die Ukraine eingedrungen. Seither tobt hier ein entsetzlicher Krieg. Zahllose Menschen werden getötet, an Körper und Seele verletzt, bangen um ihr Leben, ihre Angehörigen und Freund:innen oder sind auf der Flucht. Familien werden getrennt.

Wir wollen ein Zeichen setzen und unsere Solidarität mit den Menschen, die Opfer dieses Krieges und seiner Folgen geworden sind und immer noch werden, zeigen.

Dabei trägt uns die Überzeugung, dass der Protest gegen diesen Krieg auch ein starkes Zeichen für den Frieden in Europa sein kann. Aufstehen gegen Gewalt isoliert Aggression und verurteilt die Missachtung von Völkerrecht und unteilbaren Menschenrechten aufs Schärfste.

Jeder Mensch, der in diesem Krieg sein Leben verliert, ist eine:r zu viel!

Jeder Mensch, dem hier körperliches Leid zugefügt wird, ist eine:r zu viel!

Jeder Mensch, der durch diesen Krieg traumatisiert wird, ist eine:r zu viel!

Jeder Mensch, der wegen dieses Krieges um einen anderen Menschen trauern muss, ist eine:r zu viel!

Jeder Mensch, der wegen dieses Krieges in Sorge um andere Menschen leben muss, ist eine:r zu viel!

Dieser Krieg ist ein Verbrechen gegen die Würde aller unmittelbar und mittelbar Betroffenen!

Die Demo findet statt am:

Samstag, den 05. März 2022

10:30 Uhr

Vier-Jahreszeiten-Brunnen, Schwabstraße, Sigmaringen

Polizei als Anlaufstelle bei Paarkonflikten

Über das Projekt in Mumbai, wonach die Polizeistationen als Anlaufstellen bei Paarkonflikten fungierten, habe ich bereits hier einmal kurz berichtet. Dabei geht es nicht nur um die Frage, wie effektiv mit den Problemen bei häuslicher Gewalt umgegangen werden sollte.

stop häusliche gewalt

Nicht zuletzt wegen der Corona-Pandemie war dieses Angebot fast gänzlich eingestellt worden. Nun hat die Hindustan Times einen Artikel veröffentlicht, dass diese Beratungszentren in allen Polizeistationen wieder eingerichtet werden sollen.

Quelle: Mumbai Police to restart counselling centres for couples at all police stations – Hindustan Times

Das ist eine grundsätzlich gute Nachricht.

Darüber hinaus ist daran zu denken, ob und wie solche Aufgaben sich in unser Verständnis von Polizei als Gefahrenabwehrbehörde einordnen lassesn könnten. Dabei ist insbesondere daran zu denken, dass es nicht nur darum geht, die Polizei dann zu rufen, wenn es tatsächlich zur Anwendung von häuslicher Gewalt geht. Auf der anderen Seite gibt es aber auch ein relativ gut ausgebautes Netz an Beratungsstellen und Institutionen, die mit familienrechtlichen Problemstellungen interdisziplinär bestens vertraut sind.

Polizei könnte hier aber als wegweisender Lotse fungieren, um bereits bei niedrigschwelligen Konfliktsituationen darauf hinwirken zu können, die Lage so zu entschärfen, dass es gar nicht erst zu Gewaltanwendungen kommen kann. Dabei ist entscheidend, dass hier die Polizei in einer objektiven Rolle wahrgenommen werden kann, in der es die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu schützen gilt und nicht als Partei, die mit der einen Hand schützt und mit der anderen als strafend wahrgenommen wird. (Der Gewaltenteilung zum Trotz – aber aus Sicht der Betroffenen ist der Unterschied zwischen einer verwaltungsrechtlichen Wohnungsverweisung, einer gerichtlichen Anordnung nach dem GewSchG oder einer Strafe wegen eines Körperverletzungsdeliktes oftmals eher akademischer Natur)

Wichtig ist, dass vertrauenswürdige und akzeptierte öffentliche Anlaufstellen bestehen, die den Betroffenen wichtige Hilfestellungen vermitteln können und hierbei auch unterstützend wirken können – auch und gerade ohne Angst vor etwaigen Sanktionen. Dabei kann auch bei uns die Polizei eine wertvolle Hilfe leisten.

Kinderbilder auf Social Media?

Kinderbilder in sozialen Medien – das ist immer wieder ein Grund für Diskussionen. Dabei ist zunehmend zu beobachten, dass der Selbstwert von Menschen vermehrt über den Status und die Aufmerksamkeit auf den jeweiligen Plattformen getragen zu sein scheint. Neben einem Austauschmedium haben die Plattformen und Messengerdienste auch dazu beigetragen, dass Kommunikation sich hier von einem wortbasierten Austausch von geschriebenen Inhalten vermehrt zu einem bildbasierten Austausch verschiebt. Auch textliche Inhalte werden daher zunehmend mit bildlichen, die eigentliche Botschaft verstärkenden Inhalten, ins Netz gestellt. Mit dem Netzwerk „Instagram“, das zum Meta- vormals Facebook – Konzern gehört, existiert eine Plattform, die primär auf den Transport bildbasierter Inhalte setzt.

social media

Die Abbildung von Kindern in sozialen Netzwerken ist in vielerlei Hinsicht problematisch – von dem gelegentlich sogar als das Kindeswohl beeinträchtigenden Formen so genanntem digitalem Narzissmus, in dem Eltern die Bilder ihrer Kinder für ihr eigenes digitales Ansehen einsetzen über die digitale Teilhabe der Öffentlichkeit an ansonsten als privat empfundenen Lebenssituationen bis hin zum Einsatz von Kindern zu Werbezwecken geht dabei die Bandbreite. Dabei ist zudem auch von Bedeutung, dass Kinderbilder, wenn sie aus einem vorgeblich harmlosen Kontext gerissen werden, auch eine weitere Verwendung im Zusammenhang mit Missbrauchsdarstellungen finden können.

In der von mir besprochenen Entscheidung ging es nun darum, dass ein Elternteil von dem anderen vergeblich die Mitwirkung verlangt hatte, der Lebensgefährtin des anderen Elternteils die Verwendung von Bildern der gemeinsamen Kinder zu Werbezwecken auf Instagram zu untersagen.

Im Raume stehen hier die grundrechtlich geschützten Positionen der Kinder sowie die Frage, wie die Eltern hier ihre auf Art. 6 GG fußende Elternverantwortung in Gestalt der Wahrnehmung der gemeinsamen elterlichen Sorge wahrnehmen können und müssen. Hier wurde der Mutter das Sorgerecht für diesen Teilbereich – Wahrnehmung von Rechten gerichtlich und außergerichtlich – übertragen.

Mein Text steht hier auf juris zum download bereit.

neu bei juris: Trennungszeitpunkt und dessen Feststellung

In Scheidungsverfahren spielt der Zeitpunkt der Trennung eine wichtige Rolle: Nicht nur, dass davon die materiellen Scheidungsvoraussetzungen in Bezug auf die Scheiternsvermutung davon abhängen, auch im Güterrecht kann es von herausragender Bedeutung sein, wann die Trennung tatsächlich stattgefunden hat. Dies wird insbesondere bei der Minderung von Vermögenspositionen zwischen Trennung und Zustellung des Scheidungsantrages bedeutsam, wenn es davon abhängt, ob ein Vermögensgegenstand noch vor der Trennung aus dem Vermögen ausgeschieden ist – und damit keine Berücksichtigung erfahren kann – oder aber nach der Trennung und somit die Beweislastregeln zu Lasten des vormaligen Berechtigten ausfallen.

verfahrensrecht

Vor diesem Hintergrund wird die Frage diskutiert, ob ein Gericht einen Trennungszeitpunkt verbindlich im Wege eines Feststellungsantrages feststellen kann – auch mit der Folge, dass hier bei Rechtskraft dann eine Bindungswirkung auch in Bezug auf andere von der Trennung abhängende Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten entstünde, beispielsweise auch für die Frage, ab wann Trennungsunterhalt geschuldet werden könnte.

Das OLG Frankfurt hat die Feststellungsfähigkeit verneint – und ich habe die dahinter liegende Rechtslage für AZOFAM bei juris dargestellt und die Entscheidung entsprechend eingeordnet.

Mein Text steht hier auf juris zum Download zur Verfügung.

Wer darf das Kind im Abstammungsverfahren vertreten?

In einem Verfahren, bei dem die rechtliche Vaterschaft angefochten wird, stellt sich regelmäßig die Frage, wie und durch wen das Kind im Verfahren vertreten werden kann und darf. Der BGH hat in einem Beschluss vom 24.03.2021 – XII ZB 364/19 = NJW 2021, 1875 seine bisherige Rechtsprechung revidiert. Die hier auftretenden Abgrenzungsfragen bedurften demnach einer Schärfung.

abstammung

Die bisherige Rechtsprechung hatte im Wesentlichen unreflektiert ein Bild von Ehe und Familie transportiert gehabt, das in seinen Grundzügen in den 50er-Jahren verhaftet geblieben war. Diese letztlich paternalistische Vorstellung ist nun, obgleich in der Literatur auch in den letzten Jahren und Jahrzehnten nicht kritisiert, gleichsam en passant vom Bundesgerichtshof kassiert worden. Interessanterweise hat dieser eine Formulierung im Rubrum des Beschlusses des OLG Frankfurt zum Anlass genommen, hier grundsätzliche Ausführungen zu machen, obwohl diese Fragestellung im konkreten Fall – auch wegen einer zwischenzeitlichen Eheschließung der Mutter mit dem rechtlichen Vater – gar nicht mehr entscheidungsrelevant gewesen war.

Zu begrüßen ist ausdrücklich, dass es nicht mehr entscheidend auf die Frage einer gemeinsamen elterlichen Sorge ankommt, ob die Mutter das Kind im Verfahren vertreten kann. Entscheidend ist vielmehr, ob es neben der gemeinsamen Sorge weitere Gründe geben könnte, die den Ausschluss des Vertretungsrechts begründen würden. Dabei bleibt eben als einziges taugliches Abgrenzungsmerkmal die gegenseitige Rücksichtnahmepflicht aus § 1353 BGB übrig. Nur hierin kann eine hinreichende Begründung für die Annahme eines generellen Interessenkonflikts der Mutter und Ehefrau gesehen werden. Der BGH hat darauf hingewiesen, dass die Frage der gesetzlichen Vertretung einen Eingriff in das Elternrecht aus Art. 6 GG darstellen kann. Nach der Wesentlichkeitstheorie des BVerfG bedarf es für einen Eingriff in eine grundrechtlich geschützte Position einer gesetzlichen Grundlage. Eine solche ist im Zusammenhang mit der Vertretungsberechtigung aber gerade nicht zu erkennen.

Ich habe die Rechtslage für AZOFAM dargestellt und die Entscheidung des BGH hierzu eingeordnet. Der Aufsatz ist hier bei juris zu finden.

Verändert Technologie-Einsatz das Kommunikationsverhalten bei Mediation?

Auf den Seiten des Program on Negotiation der Harvard Law School findet sich ein interessanter Artikel, der sich mit der Verhaltensänderung in Verhandlungen durch Informationstechnologie befasst:

Quelle: Does Using Technology in Negotiation Change Our Behavior? – PON – Program on Negotiation at Harvard Law School

technik

Interessanterweise stammen die hier dargestellten Überlegungen aus: “How Technology is Changing Us and the Way We Negotiate” – einem Artikel aus dem Jahre 2017 und damit deutlich vor der Corona-Zeit, die fast alles, was an Verhandlungsformen bei kommunikationsbasierter Konfliktlösung Standard und üblich war, in Frage stellen konnte.

Soweit der Ansatz des Artikels darauf abzielt, dass Handys und Laptops die Aufmerksamkeit stehlen können und von dort von außen eingeholte Informationen während des Verhandlungsprozesses eine höhere Glaubwürdigkeit erhalten könnten als der reale Verhandlungsgegenstand und die Argumentation des Gegenüber – so ist dies den Vor-Corona-Verhältnissen geschuldet.

Weil nun also ein persönliches Treffen und damit Mediationssitzungen am runden Tisch aus Gründen der Gesundheitssorge nahezu unmöglich geworden sind, sind die Erkenntnisse, dass Mediation über Video-Konferenzsysteme nicht die Fortsetzung der Präsenzsitzungen mit anderen Mitteln darstellen kann, wichtig. Denn nur wenn darauf aufgebaut wird, können diese neuen Problemstellungen, die sich aus dem Einsatz von Kommunikationstechniken ergeben, adäquat angegangen und damit auch hinreichend im Verfahren berücksichtigt werden.

Der Fokus daher zunächst auf den Bereiche von Aufmerksamkeit und Empathie – und die gefundenen Ergebnisse sind dabei durchaus beachtlich. Es ist kein Wunder, dass beides nicht in gleicher Form wie in Präsenz zu erwarten ist, Ablenkungen und Störungen sind um ein Vielfaches wahrscheinlicher. Aber es fehlt eben auch der gemeinsam genutzte geschützte Raum, das greifbare und fühlbare Vertrauen, das sich bei einer realen und nicht nur virtuellen Begegnung einstellen kann.

Diese negativen Effekte müssen daher berücksichtigt werden, wenn online verhandelt wird. Das kann durch gezielte Ansprache, Vereinbarung von Regeln im Hinblick auf die Verwendung von Video und Ton, Zusagen und Überprüfbarkeit von Vertraulichkeit hergestellt werden. Dazu gehört auch, gegebenenfalls Kamera-Einstellungen so zu optimieren, dass ein Sich-in-die-Augen-sehen tatsächlich möglich gemacht wird. Die Distanz, die die Technik aufbaut, vermag Empathie zu hindern: Dies muss dann gezielt unterstützend hervorgeholt werden.

Wenn nun – aus der historischen Sicht begründet – die Kommunikation und damit die Konfliktlösung verbessert werden kann, wenn technische Hilfsmittel aus den Verhandlungen verbannt werden, so gilt das für eine Mediation unter Zuhilfenahme von Kommunikationstechnik nur insoweit, als dass ein Modus vivendi gefunden werden kann und muss, um diesen Störungen proaktiv entgegenzutreten.

Damit dies gelingt, bedarf es einer erhöhten Aufmerksamkeit und Sensibilität des Mediators für das, was bei den Medianten gerade geschieht – ob und wie hier tatsächlich auf den aktuellen Punkt fokussiert wird und ob entsprechende Absprachen zur Vertraulichkeit, Absgeschlossenheit, Diskretion und der Abwesenheit weiterer, für das Verfahren unnötiger IT-Geräte eingehalten wird. Dies ist im Vorgespräch logischerweise zu thematisieren und auch festzuhalten.

Ein solches vereinbartes Vorgehen hat letztlich auch den Vorteil, dass die Versuchungen, nebenbei doch in Dateien oder im Netz zu recherchieren, sich über Mobiltelefone Zurufe von der Seitenlinie zu holen oder die Vertraulichkeit zu unterlaufen, thematisiert werden. Dabei können dann auch etwaige Bedürfnisse, die hinter einem solchen andenkbaren Verhalten stehen, dann auch ausdiskutiert und quasi prä-mediiert werden, bevor das eigentliche Thema behandelt wird. Dadurch kann die Aufmerksamkeit, Empathie und auch das Vertrauen in die Mediation auch unter Zuhilfenahme von Informationstechnik insgesamt gestärkt werden.

Die Zusammenarbeit von Polizei und Steuerbehörden

Grundsätzlich gehen Polizei und Steuerbehörden mit Daten von Menschen um. Und dabei sind die Begehrlichkeiten auf beiden Seiten offensichtlich. Die Polizei würde sich diese Steuerdaten gerne für ihre Verfahren nutzbar machen, die Steuerbehörden würden ihrerseits gerne auf polizeiliche Erkenntnisse zurückgreifen können. Wenn man aber die vermeintlichen Vorteile näher betrachtet, wird ein Dilemma ersichtlich: Denn ein Großteil der interessanten Daten sind streng vor zweckändernder Weiterverarbeitung geschützt.

Polizei und Finanzamt

Wichtig ist daher, wie das Steuergeheimnis einzuordnen ist und warum und wie weit der Schutz dieses Geheimnisses reicht. Gerade für die Verfolgung von Geldwäsche stellt die Regelung des § 31b AO einen elementaren Bestandteil dar.

Weil die Möglichkeiten einerseits, die engen Grenzen des Datenaustausches andererseits limitierende Faktoren darstellen, sollten daher gemeinsame Fortbildungsmaßnahmen von Polizei und Finanzverwaltung nicht nur das gegenseitige Verständnis fördern. Der Austausch von wechselseitigem Spezialwissen fördert letztlich auch das gegenseitige Verständnis für die jeweilige Aufgabe.

Es geht nicht nur um einen rechtsstaatlichen Umgang mit Finanzkriminalität, sondern darüber hinaus auch um die gebotene Herstellung von Steuergerechtigkeit.

Ich habe mich zusammen mit KK Felix Hackner mit dieser Thematik auseinandergesetzt. Unser Text hierzu ist in der neuen Kriminalistik, Ausgabe 1/2022 erschienen.

Mumbai Police unterhält Beratungszentren für Paare

Bereits in den Jahren zwischen 2012 und 2015 hatte The Mumbai Police Hilfe-und Unterstützungszentren für Paare in Konfliktsitutationen betrieben. 2021 wurde diese Idee wiederbelebt, wie die Hindustan Times zu berichten weiß:

Quelle: Mumbai Police to restart counselling centres for couples at all police stations – Hindustan Times

Mumbai ist die größte Stadt auf dem indischen Subkontinent, die Metropolregion hat ca. 30 Mio Einwohner:innen.

stop häusliche gewalt

Diese „counseling centres“ sind funktional bei den Polikzeistationen angegliedert und über das gesamte Stadtgebiet verteilt. Sie haben die Aufgabe, „to resolve minor matrimonial disputes“ – also bei kleineren Auseinandersetzungen hilfreich zur Seite zu stehen.

Dies ist durchaus begrüßenswert und die Initiative verdient eine größere Beachtung. Die Polizei wird hier nicht nur in ihrer Funktion, Gefahren von der öffentlichen Sicherheit und Ordnung abzuwehren, tätig, sondern dient in erster Linie als Scharnier für Konfliktlösungsunterstützung im sozialen Nahbereich. Entscheidend ist hierbei, dass die Polizei als Anlaufstelle verstanden wird, wenn es zu Problemen kommt. Dahinter steckt die Idee kurzer Wege. Bei Konflikten im sozialen Nahbereich kann über einen allseits bekannten Kontakt schnell für Entspannung gesorgt werden.

Die Idee könnte sich auch auf deutsche Verhältnisse übertragen lassen: Bereits im Vorfeld des Entstehens häuslicher Gewaltsitutationen (wenn also im polizeirechtlichen Sinne noch keine konkrete Gefahr für ein polizeiliches Schutzgut besteht) müssten Hilfesuchende nicht abgewiesen oder weiterverwiesen werden, sondern bekämen vor Ort ein professionelles Hilfeangebot. Dabei wären die Polizeibeamtinnen allenfalls als Wegweiser tätig: Eine professionelle Unterstützung müsste von Fachleuten, die in Ehe- und Familienkonflikten hauptsächlich tätig sind, erfolgen können. Aber auch, wenn es zur Gewaltanwendung kommt oder schon gekommen ist, wäre ein solches Angebot ein wichtiges Unterstützungsinstrument neben den polizeirechtlichen Instrumenten wie die Wohnungsverweisung oder der strafrechtlichen Aufarbeitung.

Wichtig ist an dieser Stelle, dass die Angebote niederschwellig sind und eine zunächst funktionale Zuständigkeit bei der Stelle besteht, die in der Bevölkerung dafür steht, für die persönliche Sicherheit zuständig und verantwortlich zu sein.

Auf der anderen Seite besteht die Gefahr, dass Menschen, die sich an ein solches Angebot wenden, damit rechnen, hier dann ein strafrechtliches Verfahren einzuleiten und deswegen von einer Inanspruchnahme absehen. Hier kommt das Legalitätsprinzip an seine Grenzen, weil es der Hilfestellung letztendlich im Weg stehen könnte. (Der Verweis auf Antragsdelikte oder Zeugnisverweigerungsrechte ist jeweils nur eine Krücke, Betroffene werden sich an feinsinnigen juristischen Ausführungen hierzu wenig erfreuen dürfen)

Entscheidend dürfte daher sein, wie die Gewährleistung von öffentlicher Sicherheit und Ordnung bei der Gefährdung von Individualrechtsgütern im höchstpersönlichen und privaten Lebensumfeld optimal gewährleistet werden kann. Die Initiative aus Indien ist hierfür ein guter Anfang.